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Die Zeit bis 1945

Die Waffenindustrie im deutschen Reich verarbeitete eine Vielfalt an unterschiedlichen Metallen zu Kriegsgerät. Ein besonders wichtiges Legierungsmetall, das Molybdän, war im Reichgebiet jedoch nur äußerst spärlich abbauwürdig vorzufinden. Molybdän wird zur Veredelung von Stahl verwendet, um diesem durch Beimengung von kleinsten Mengen eine besonders hohe Festigkeit bzw. Härte zu verleihen. Dank der zusätzlichen Korrosions - und Hitzebeständigkeit machten molybdänhaltige Hochleistungswerkstoffe zahlreiche technische Verfahren erst möglich.

Moldybdänit (Molybdänglanz), das Ausgangsmaterial zur Herstellung von Molybdän, wurde zwar weltweit gefördert und gehandelt, stand aber aufgrund des Embargos der Alliierten gegenüber den Achsmächten für Deutschland ab Kriegsbeginn für den Import nicht mehr zur Verfügung.

Aufgrund der überaus wichtigen strategischen Bedeutung dieses Rohstoffes und dem drohenden Mangel ebendieses veranlasste das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) die Exploration und Erschließung neuer Lagerstätten im Reichsgebiet, so auch an der Alpeiner Scharte wo das Vorkommen an sich schon länger bekannt war.

1941 begann die Firma Tiroler Erzbergbau GmbH mit der Erkundung der Lagerstätte auf über 2800m Meter Seehöhe im Tiroler Valser Tal. Durch vorhergegangene Erkundungen an der Oberfläche wurde das vererzte Gestein in einer Längsausdehnung von etwa 700m, einer Breite von 400 und eine senkrechten Höhe von 350 m erwartet. Dieses relativ kleine Volumen bildet die Pyramide des 3117m hohen Alpeiner Schartenkopfs, unweit des heutigen Sommerskigebiets Hintertuxer Gletscher.

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Fotostrecke: Die Landschaft

Geschätzt wurde, dass insgesamt 6500-12000 Tonnen Molybdänit zu fördern seien, womit es sich um das bedeutendste Vorkommen der Ostalpen handeln würde. Jahre später sollte sich herausstellen, dass diese Schätzungen viel zu optimistisch angesetzt waren. Aber auch während der Erkundungsphase hegte die Betriebsleitung bereits Zweifel an den prognostizierten Schürfmengen. 

 

Zunächst galt es daher, Gewissheit über die Höhe des Molybdänitgehalts im Inneren des Berges zu erlangen, schließlich erfordern Einrichtung und Betrieb eines Bergwerkes in hochalpiner Lage besonders hohe Anstrengungen, die auch wirtschaftlich gerechtfertigt sein wollen.

 

Die Erzmengenberechungen sollten daher durch Vortrieb eines Erkundungsstollen nachgewiesen werden. Dadurch sollte das Risiko minimiert werden, im Falle einer Fehlschätzung ein großes Bergwerk mitsamt Erzaufbereitsungsanlage im Tal und 5 Kilometer langer Transportseilbahn in abgelegtestem Hochgebirge umsonst gebaut zu haben. 5 bis 6 Stunden Gehzeit, Kondition und Trittsicherheit sind auch heute erforderlich, um von der Touristenrast am Talboden zu den Resten des Stollensystems am Berg zu gelangen.

 

Da im Reichsgebiet ein kriegsrelevanter Mangel am strategisch überaus wichtigen Legierungsmetall herrschte, veranlasste das Oberkommando der Wehrmacht (OKW), dass zeitgleich mit dem Vortrieb eines Stollens zur Probenahme beriets die vollständige infrastrukturelle Erschließung einher gehen müsse. In den folgenden Jahren wurden unzählige Kilometer Strom- und Wasserleitungen verlegt, Transformatoren und schwere Gerätschaften auf den Berg geschafft, Stollen und zahlreiche Querstollen vorgetrieben, eine 5 km lange Materialseibahn mit einer 2km langen stützenlosen Talquerung gezogen, eine beachtliche Erzaufbereitungsanlage im Tal gebaut.

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Fotostrecke: Die Seilbahn

   

Zur Betriebsaufnahme des Schürfbetriebs, zur eigentlichen Förderung von Molybdänit sollte es dennoch nie kommen.

 

1941 wurde vom Stützpunkt der aussichtsreich gelegenen Geraer Hütte (2326m) zunächst eine benzingetriebene Materialseilbahn in die Nähe des Stollenmund (2805m) erstellt. Über den parallel führenden Aufstieg hatten Arbeiter einen Anmarsch von etwa eineinhalb Stunden zu bewältigen, wobei der Weg anfangs durch schwer passierbare Landschaften aus Granitblöcken führte. “Die Schutthalden sind recht locker, oft Steinschlaggefährdet, und wechseln mit steilen Schneefeldern, die auch in warmen Sommern nicht völlig abschmelzen” (Götzendorfer, 1986). Im Laufe der Zeit errichteten Zwangsarbeiter unter heute schwer nachvollziehbaren Anstrengungen durch Umschichtung von unzähligen großen Gesteinsblöcken einen auch für Lastentiere gut beschreitbaren Weg.

 

Da den Erschliessungsarbeiten laut OKW höchste Dringlichkeit galt, musste ganzjährig gearbeitet werden. Dies in einer Region, die acht Monate im Jahr von einer mächtigen Schneedecke gezeichnet ist, in der monatelang zehrender Dauerfrost den wenigen temperierten Sommerwochen entgegensteht. Aushubmaterial vom Stollen wurde direkt auf das Gletschereis des Alpeiner Ferners geschüttet. Etwas unterhalb davon entstanden alsbald am Fuße der bis auf 3411 Meter Seehöhe hinaufziehenden Felswand des Schrammachers drei Riegel an Arbeiterbaracken: Hier waren 1943 ein Teil der damals rund 150 Mann untergebracht. Im folgenden Jahre ereignete sich hier ein menschliches Drama, das 22 Menschen in den Lawinentod trieb.

 

In drei Schichten wurden Stollen und Kavernen ausgebrochen, zumeist unter menschlich kaum würdigen Bedingungen. Nach Schichtende kehrten vorwiegend russische und ukrainische Kriegsgefangenen wegen mangelnder Belüftung des Stollensystems mit millimeterdicken Staubschichten im Gesicht (und der Lunge) zutage. Italiener und Franzosen wurden am Bau vorwiegend als Maurer und Zimmerer im Freien eingesetzt und genossen gegenüber den “Ostarbeitern” offensichtlich eine höhere Rangordnung. Technische Arbeiten wie die Wartung von schweren Kompressoranlagen zur Speisung der pneumatischen Bohrhämmer oblagen hingegen deutschen Fachkräften. Im Inneren des Berges wurden eine Anzahl an Kavernen ausgebrochen, in denen Betriebsanlagen und Werkstätten ihren Platz fanden. Obwohl nahezu vollständig geplündert, finden sich in den schwerer zugänglichen Kavernen im tieferen Bergwerksteil auch heute noch zahlreiche Relikte des Baubetriebes.

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Fotostrecke: Betriebsleitung, heimische Arbeiter, Gastarbeiter, Ostarbeiter und Kriegsgefangene

   

Es ist nur allzu naheliegend, dass wiederholt Kriegsgefangene und deutsche Arbeiter dieser unwirtlichen Umgebung entfliehen wollten: Während die vom KZ Reichenau in Innsbruck gestellten Arbeitskräfte teilweise wieder eingefangen wurden, baten deutsche Fachkräfte der Betriebsleitung um Versetzung in weniger feindseligere Betriebe. Arbeitsbedingungen, hohe Personalfluktuation, Inkompetenzen der Betriebsführung und die allgemeine Mangelwirtschaft führten zu einer depressiven Stimmungslage unter der Belegschaft und zu tw. absurden Fehlentscheidungen. So wurde das zum Abfluss von Sickerwasser nötige Gefälle in Richtung Stollenausgang zu gering angesetzt, wodurch nachträglich mühsam (und sich vereisende) Abflussrohre im harte Granit verlegt werden mußten.

Akribisch wurde Buch geführt über zahlreiche Belanglosigkeiten, akribisch wurden personenbezogenen Meldedaten im Gemeindeamt St.Jodok gesammelt, dies auch noch zu einer Zeit als das Einschmelzen von bronzenen Kirchturmglocken zur Kriegsmaterialerzeugung angeordnet wurde.

 

Nach tagelangen stürmischen Schneefällen fegte im Spätherbst 1944, am 11. November, eine Staublawine vom Schrammacher zu Tal und zerstörte zwei der drei Baracken des Arbeiterlagers am Berg. 22(?) Arbeiter kamen zu Tode (mehr zum Lawinenunglück).

Der Erschliessungsbetrieb musste jedoch nahezu nahtlos weitergeführt werden, neue Arbeiter wurden herangeschafft. Die einzige von der Lawine verschonte Baracke am Stollenlager wurde dichter belegt und das weiter talwärts gelegene Arbeiterlager II aufgestockt. Es wurde erwogen, die Arbeiterschaft fortan lawinensicher im Stollensystem unterzubringen. Die Betriebsleitung erstellte Skizzen, wie im schmalen Stollen entlang der Wand Stockbetten aufzustellen sind. Ausführlich geplant wurde somit die Unterbringung im immerwährend finsteren und feuchten, durch Bohrlärm durchdrungenen Stollen, ohne Gemeinschaftsräume oder sanitäre Einrichtungen.

Dieses Vorgehen wurde anfangs zugunsten der Erhöhung der Belegungsdichte in den verbliebenen Baracken zurückgestellt.  Tief im (somit wäremeren und trockenen) Stollensystem wurde im Winter 1944/45 eine etwa 80 quadratmeter messende Kaverne ausgeborchen und mit einem unterbelüfteten Holzboden versehen, welcher darauf hindeutet, daß hier Schlafstätten eingerichtet hätten werden sollen. Der überraschend gut verlegte Holzboden blieb jedoch unvollendet. Noch heute finden sich im Hauptstollen gestapelte Holzrahmen von Stockbetten welche wohl für diese Schlafkaverne vorgesehen waren.

 

Während der ersten Monate 1945 wurde der Erschliessungsbetrieb weiter fortgeführt. So bestand der "Gefolgschaftsstand" der Tiroler Erzbergbau GmbH zum Stichtag 31. Januar 1945 aus "14 Angestellte, 35 heimische Arbeiter, 79 ausländ. Arbeiter davon 26 Ostarbeiter, 10 Kriegsgefangene".

 

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